Bericht in der Holzkirchnerstimme vom 04.01.2017

Eine Leserstimme von Andreas Gruhle

Lieber Mautflüchtling …

Pünktlich zum Bettenwechsel in den Skigebieten rollt die Blechlawine durch das Alpenvorland. Inklusive etlicher Urlauber, die der Maut in Österreich aus dem Weg gehen wollen. Eine Spurensuche.

Zum Mautsparen rechts entlang …

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Eine Leserstimme von Andreas Gruhle von Gipfelfieber.com:

Lieber Mautflüchtling,

am Wochenende brichst du nun wieder über die deutsch-österreichischen Grenzregionen herein und ich frage mich immer, warum du das dir und den Anwohnern eigentlich antust. Vorab: Vielleicht mag es in Zeiten von Pegida, Bagida, Legida, Hogida und Frigida (gibt’s wirklich!) nicht ganz richtig sein, in einem eher lächerlichen Ton über Flüchtlinge herzuziehen, aber wie die besagten Gruppen scheinst auch du gerne vor dem Offensichtlichen die Augen verschließen zu wollen. Ich habe mir ein paar Gedanken gemacht, um dich verstehen zu können.

Jahr für Jahr brichst du in Bälde bei dir zu Hause auf, um pünktlich und mit Sack und Pack bepackt die österreichischen Skiregionen heimzusuchen. Die Schweiz ist dir ja schließlich zu teuer. Aber schlau wie du bist, fährst du natürlich nicht über die Inntal-Autobahn, um in Tirol einzufallen, sondern tuckelst wie Tausende andere gemütlich über Tegernsee und Achensee, quetschst dich durch Mittenwald oder quälst dich und deine quengelnde Bagage hinter einem LKW oder einem Reisebus über den Fernpass.

Irgendwo muss man ja sparen

Klar, so ein Skiurlaub ist teuer. Grob geschätzt haut eine vierköpfige Familie in einer Woche mit Hotel, Skipass und Skischule locker 2.000 Euro auf den Putz. Wenn es denn reicht. Irgendwo muss sich da ja Sparpotential finden lassen. Mit dem Liftbetreiber über einen Rabatt diskutieren – du seist ja schließlich eine ganze Woche da? Aussichtslos! Mit dem Inhaber der Skischule verhandeln wollen – es gäbe ja genügend andere Skischulen, wo du hingehen könntest, wenn du nicht eine Vergünstigung bekommst? Viel Glück dabei!

Da bietet sich diese blöde Vignette – das Pickerl – natürlich an. Kann ich verstehen, dass du da hellhörig wirst. Warum sollst du für die Fahrt ins Skigebiet 8,70 Euro bezahlen, wenn du es auch kostenlos haben kannst? Nur hierzulande sollen die anderen möglichst bald zahlen, wir sind ja ein Transitland. Und die Zeitersparnis gibt es ja nun auch fast nicht mehr, seitdem auf der Inntal-Autobahn nur noch mit maximal 100 km/h gefahren werden darf. Dann lieber zeigen, wofür man sich einen SUV gekauft hat und über den Pass fahren.

Die Landschaft ist doch so schön

Du entgegnest mir jetzt natürlich, dass dich bei deinem 2.000-Euro-Urlaub in deinem 60.000-Euro-Auto die 8,70 Euro nicht weiter interessieren. Du flüchtest ja auch gar nicht vor der Maut, du fährst mit voller Absicht über den Tegernsee, weil es da ja so schön ist, wenn man zum Fenster rausschaut. Zugegeben, der gemeine Münchner sieht das genauso, weswegen er sich beim kleinsten Sonnenstrahl am Samstag und Sonntag auf den Weg zum Tegernsee macht, um pro Richtung geschlagene zwei Stunden im Auto zu sitzen.

Der bleibt dann aber wenigstens auch dort und schaut nicht nur zum Fenster (höchstens dem vom Bräustüberl) raus. Du dagegen sitzt im Auto, erfreust dich des Sees wie er da so malerisch eingebettet zwischen den Bergen liegt, während deine Frau neben dir schläft und deine Kinder auf dem iPad Disney-Filme schauen, um sie auch ja bis zur Ankunft still zu halten.

Eine Frage drängt sich mir aber auf: Wenn du es da so schön findest, warum bist du noch nicht auf die Idee gekommen, dort auch deinen Urlaub zu verbringen? Zu viel Durchgangsverkehr vielleicht? Oder ist dir das Skigebiet zu klein? Unter 100 Pistenkilometern kommt das nicht in Frage, weil du ja eine Woche lang Abwechslung brauchst, am Ende aber trotzdem immer wieder die gleiche Piste fährst, weil die schließlich den ganzen Tag Sonne hat?

Ein Haus im Grünen

Jetzt stell dir doch aber mal Folgendes vor: Du wohnst in einem schönen beschaulichen Ort mitten im Grünen. Leider hat der Ort bis auf einen Bratwurststand nicht sonderlich viel zu bieten, während der Nachbarort den größten und schönsten Badesee überhaupt hat und so die Straße direkt bei dir vor dem Haus regelmäßig am Wochenende so verstopft ist, dass du dich nicht mal mehr traust, im Bademantel am Gartentor die Zeitung zu holen. Fändest du das toll?

Du möchtest das vielleicht nicht glauben, aber um solcher Heerscharen Herr zu werden, wurden unter anderem auch die Autobahnen gebaut. Die sollen eben verhindern, dass du dich mit den anderen Mautflüchtlingen durch die Gemeinden schiebst – quasi mitten in der Natur tonnenweise CO2 rausballerst – und dafür sorgen, dass du am Ende schneller an dein Ziel kommst. Und eins sei dir versichert: Wenn sich einer dieser ebenfalls mautsparenden LKWs mal wieder um die x-te Spitzkehre schlängelt und du dahinter mit 10 km/h hertrottest, wirst du dir die 100 km/h auf der Autobahn herbeisehnen.

Und die Moral von der Geschicht’

… die Maut, die zahlst du trotzdem nicht. Aber vielleicht, lieber Mautflüchtling, denkst du jetzt doch mal darüber nach, wie sinnvoll es wirklich ist, den 8,70 Euro zu entgehen. Verschwende ein paar Gedanken an die Anwohner, an die Natur und an dein Nervenkostüm. Sie alle danken es dir.

*Ach ja: Bitte alles nicht so ernst nehmen. Den Kern aber schon.

Unterstützen Sie uns finanziell mit einer Spende!

Spenden an Hartpenning-muckt-auf! e.V. sind von der Steuer absetzbar und werden ab einem Betrag von 10 Euro quittiert. Bitte geben Sie unbedingt Ihre Adresse an.

Banküberweisung

Hartpenning-muckt-auf e.V.
VR Bank München Land
IBAN DE56 7016 6486 0001 9444 01
BIC GENODEF1OHC

Vielen Dank für Ihre Unterstützung!